Was ist eigentlich der Gender Pay Gap?

Männer verdienen in Österreich im Durchschnitt mehr als Frauen. Der Unterschied in den Gehältern von Frauen und Männern wird als (geschlechtsspezifische) Gehaltsschere, Lohnlücke oder Gender Pay Gap bezeichnet und wird in Prozent angegeben.

Um den Gender Pay Gap ranken sich viele Mythen. Das hat auch mit den unterschiedlichen Berechnungsmethoden und den daraus resultierenden Zahlen zu tun. Im heutigen Blogbeitrag gehen wir in die Tiefe und besprechen, wie der Gender Pay Gap entsteht und wieso die Angaben in Bezug auf die Höhe manchmal unterschiedlich sind. Dafür sehen wir uns auch die Berechnung etwas genauer an.

Was ist der "unbereinigte" und der "bereinigte" Gender Pay Gap?

Der unbereinigte Gender Pay Gap vergleicht die (Brutto-)Jahresgehälter aller arbeitenden Menschen in Österreich. Er berücksichtigt keine Stundenausmaße. Der Unterschied zwischen den Gehältern von Männern und Frauen ist bei dieser Berechnung sehr groß (rund 35%), da Frauen wesentlich häufiger in Teilzeit arbeiten.

Aussagekräftiger ist der bereinigte Gender Pay Gap. Hier rechnet man die Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Stundenanzahl heraus, damit das Ergebnis auch tatsächlich vergleichbar ist. Beim bereinigten Gender Pay Gap gibt es zwei unterschiedliche Ansätze:

  1. Bei der Berechnung nach Eurostat (EU) werden die (Brutto-)Stundenlöhne von Beschäftigten in der Privatwirtschaft miteinander verglichen. Damit ist es egal, ob jemand Vollzeit oder Teilzeit arbeitet. Der Gender Pay Gap beträgt hier 18,4%, wobei der Durchschnitt in der EU mit 12,7% deutlich geringer ausfällt (Stand 2022). Nur Estland weist einen noch größeren Gender Pay Gap auf. Österreich hat also großen Aufholbedarf.
  2. Bei einer anderen Berechnungsweise werden nur die Gehälter vollzeitarbeitender Personen verglichen. Der Gender Pay Gap nach dieser Berechnung beträgt 12,4%.

Warum ergeben diese Berechnungsarten so unterschiedliche Ergebnisse?

Vergleicht man Vollzeit- und Teilzeit-Gehälter, so sieht man, dass der Lohn pro Stunde bei Teilzeit niedriger ausfällt, auch bei gleicher Position. Außerdem rücken Frauen in Teilzeit häufig nicht in der Karriereleiter auf, denn dies ist oft den Vollzeitstellen vorbehalten. Daher fällt der Gender Pay Gap nach Eurostat (d.h. beim Vergleich der Stundenlöhne) größer aus, als wenn man teilzeitbeschäftigte Personen gänzlich aus der Berechnung herauslässt und nur die Gehälter vollzeitarbeitender Personen miteinander vergleicht.

Egal welche Berechnungsweise, die Aussage ist die gleiche:
Frauen verdienen weniger als Männer – egal, ob sie Teilzeit oder Vollzeit arbeiten.

Wodurch entsteht der Gender Pay Gap?

Die Gründe für die große Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Österreich sind vielfältig:

Teilweise lässt sie sich durch die großen Branchenunterschiede erklären. Frauen arbeiten häufiger in Branchen mit niedrigem Lohnniveau wie Handel, Pflege, Reinigung oder Tourismus sowie in Branchen, in denen eine Teilzeitbeschäftigung gängig ist und wenige Möglichkeiten zur Vollzeitarbeit vorhanden sind. So kommt es, dass in Österreich 50,7% aller erwerbstätigen Frauen in Teilzeit arbeiten, während die Teilzeitquote der Männer mit 12,6% wesentlich geringer ausfällt. Auch aufgrund von Kinderbetreuungspflichten haben Frauen oft nicht die Möglichkeit, einer Vollzeitarbeit nachzugehen.

Doch auch innerhalb einer Branche gibt es Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern. Interessanterweise ist der Gender Pay Gap in männlich dominierten Branchen (z. B. in der Technik) besonders hoch, während er z. B. im Sozialbereich sehr gering ausfällt. Das heißt: Auch Frauen in „Männerberufen“ verdienen weniger als ihre männlichen Kollegen.

Das wiederum kann man teilweise auf die höheren Gehaltsforderungen von Männern zurückführen, aber auch darauf, dass Männer häufiger Führungspositionen bekleiden (obwohl Frauen in Österreich über höhere Bildungsabschlüsse verfügen!). So sind nach einem aktuellen Bericht der Arbeiterkammer nur 14% der Positionen in Geschäftsführungen und Vorständen der börsennotierten Unternehmen Österreichs von Frauen besetzt. Gehaltsunterschiede beginnen zudem schon direkt nach Ausbildungsabschluss, wo die meisten Erklärungsversuche noch gar nicht ins Gewicht fallen.

Wir sehen also, dass sich der Gender Pay Gap nur teilweise durch statistische Merkmale erklären lässt. Auch bei Berechnungen, die all die eben besprochenen Faktoren (Branche, Beschäftigungsausmaß, Berufserfahrung, Position) berücksichtigen und die Zahlen dadurch entsprechend bereinigen, kann der Gender Pay Gap zwar verringert, aber nicht aufgelöst werden. Man geht davon aus, dass nur rund 1/3 des Gender Pay Gaps statistisch erklärbar ist.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Frauen in Österreich auch bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit weniger verdienen als Männer.

Als Erklärung für den verbleibenden Prozentsatz verbleibt nur: Lohndiskriminierung.

Übrigens: Eine unterschiedliche Entlohnung von Männern und Frauen für die gleiche Tätigkeit (bei gleicher Qualifikation und Berufserfahrung) ist nach dem Gleichbehandlungsgesetz schon seit 1979 verboten. Und dennoch bleibt der Gender Pay Gap hoch.

Was ist notwendig, um den Gender Pay Gap aufzulösen?

Es braucht mehr als die Bemühungen von Frauen zu mehr Vollzeit-Arbeit und das Vordringen in männlich dominierte Branchen, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erhalten.

Expert*innen fordern u.a. folgende Maßnahmen:

  • Eine verpflichtende Transparenz bei den Gehältern kann helfen, Lohnunterschiede schneller zu erkennen und auszugleichen.
  • Eine Erhöhung der Löhne in Niedriglohnbranchen hilft Frauen und stärkt gleichzeitig die Wertschätzung für systemrelevante Berufe.
  • Flächendeckende Kinderbetreuung (auch am Nachmittag) ist notwendig, um Frauen überhaupt die Wahl zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit zu ermöglichen.
  • Eine bessere Aufteilung der Karenz- und Kinderbetreuungszeiten zwischen Frauen und Männern kann Lohnunterschiede verhindern und ermöglicht Frauen mehr Chancen im Job.

Wir hoffen, dieser kurze Einblick hat dir geholfen, den Gender Pay Gap besser zu verstehen. 

Bei weiteren Fragen vereinbare gerne einen kostenlosen Beratungstermin!

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Team Geldleben

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